FrauOenRunde - Junge BDSM-Neulinge im LUX zu Gast
von Gastbeitrag
Blogbeitrag von Twitter-Aktivistin, Ophelia

Berlin empfängt mich wie immer: Mit gelassener Gleichgültigkeit.
Manchmal, wenn ich in die Hauptstadt komme, lasse ich mich von dem treiben, was nur Berlin vermitteln kann: Man fühlt sich, als würde man dazu gehören. Man weiß auch nicht so genau, wozu, aber darum geht es nicht. Man ist eben dabei, ein Teil von irgendwas, von Berlin, von der Welt – egal. Man fühlt sich gut und gewinnt an Selbstsicherheit, läuft herum, wie man eben möchte und weiß, dass in Berlin nichts wirklich ungewöhnlich ist. An anderen Tagen scheint Berlin dich einfach nur anzugähnen, du läufst durch den Hauptbahnhof, durch Kreuzberg und wirst in deiner ungewöhnlichen Dazugehörigkeit einfach ignoriert. Ein solcher Tag war das.
16cm Plateau-Heels aus Lack, die Gerte aus der Tasche ragend, im langen schwarzen Mantel laufe ich eine Hauptstraße in Tempelhof entlang und irgendwie scheint es niemanden so wirklich zu interessieren. Ein zweischneidiges Schwert, wie ich finde: Einerseits provoziere ich gern, andererseits beruhigt es mich, dass es Orte auf der Welt gibt, an denen Menschen größere Probleme haben als die Gerten anderer Leute.
Es ist jedenfalls kurz nach 5, als ich auf die Klingel des Berliner Dominastudios LUX drücke und mir geöffnet wird. Das alte Treppenhaus ist faszinierend, aber mit 16cm gönne ich mir die Fahrt in dem überdurchschnittlich altmodischen Fahrstuhl, der kurz ein klaustrophobisches Gefühl in mir erzeugt. Oben angekommen drücke ich mit etwas Gewalt die Tür auf und sehe gleich darauf eine Frau im Türrahmen stehen.
„Ophelia, hallo – freut mich!“, sage ich lächelnd und schüttle eine Frauenhand.
„Freut mich auch total! Aber ich glaube, du bist im falschen Studio.“
Ja. Das klingt nach mir.
Wunderbar typisch im Grunde und irgendwie bezeichnend. Aber okay, ich lasse mir den Weg zum anderen LUX erklären, das glücklicherweise nur wenige Gehminuten entfernt ist. Die Räume des Studios sind auf zwei verschiedene Häuser aufgeteilt – hätte man wissen können, aber selbst mein Kontrollfreak scheint bisweilen nachlässig zu werden. Na fein. Ich fahre wieder ins Erdgeschoss und laufe mit den 16cm-Heels, die übrigens noch nicht eingelaufen, sondern nagelneu sind, zum anderen LUX.
Das wiederum ist ein wenig versteckter, unscheinbarer und doch nur wenige Häuser von einem übergroßen Sexshop entfernt – gute Gesellschaft. Während ich die Klingel suche, meldet sich der blaue Wald mit einer DM von Fabienne Freymadl, einer Sexworkerin, der ich auf Twitter folge:
„Hey Ophelia, sorry, dass ich eben an der Tür so kurz angebunden war – hatte eine Kundin.“
Ich kann mir das Lächeln nicht verkneifen. Verdammt – hätte ich gewusst, dass es Fabienne Freymadl war, der ich gerade die Hand geschüttelt habe… nun, ich hätte wohl nichts anders gemacht, immerhin waren wir beide in Zeitnot. Aber ich hätte es eben gewusst und überhaupt fand ich sie auf Twitter immer schon herrlich erfrischend und einmal mehr wird mir bewusst, in welchen Kreisen ich mich mittlerweile bewege und dass ich diese „Kreise“ ungemein bereichernd finde. Ich hoffe, die Gelegenheit, mit ihr zu reden, ergibt sich mal wieder.
Hoffend und lächelnd verstaue ich mein Handy in der Tasche und klingle. Eine leise, angenehme Stimme antwortet mir und erklärt mir den Weg, den ich nun zu gehen habe. Ich kenne die Stimme nicht und weiß dennoch, wem sie gehört, denn wir sind verabredet. Eine Verabredung, auf die ich mich schon seit Tagen freue.
„Danke, Johanna“, sage ich.
Und die Tür zu einer weiteren Abzweigung im Wunderland öffnet sich.
Das Dominastudio LUX in Berlin
Eigenverantwortlichkeit, Freiraum, Kreativität und Offenheit sind uns wichtig – nicht nur beim eigenen Arbeiten. Unser Anspruch an qualitativ hochwertige Sessions vereint uns. Gemeinsam erfüllen wir uns den Traum, einen Raum zu schaffen für gutes Arbeiten, Ekstase und BDSM.
Die Worte las ich gleich zu Beginn, als ich mir die Homepage des Studios zum ersten Mal ansah. Ich kenne mittlerweile einige Studios und deren Betreiberinnen und kann ziemlich genau sagen, welche Art von Studio mir gefällt, wo ich mich wohlfühle und wo eher weniger. Auf der Homepage des Studios LUX erzählen die Inhaberinnen Johanna Weber, Emma Steel und Velvet Steel, wie sie zueinander gefunden haben und wie die Idee, ein Studio zu gründen, zustanden kam.
Als ich ein Studio für meine FrauOenRunde in Berlin suchte, hatte ich natürlich mehrere zur Auswahl und wer mich kennt, weiß, dass ich mir eine solche Auswahl nicht leicht gemacht habe. Ich wollte wissen, wer dort arbeitet, warum dort gearbeitet wird und vor allem, welche Werte und Ansichten zugrunde liegen. Auf der Seite „Philosophie“ des LUX lautet der erste Satz:
Im LUX sind uns Menschen aller Gender willkommen.
Ein Satz, der mich guten Mutes weiterlesen lässt.
Ich finde schnell heraus, dass das LUX kein Studio ist mit festen Damen und geregelten Schichten, sondern in erster Linie ein Mietstudio, das Räumlichkeiten für eigenverantwortlich Arbeitende zur Verfügung stellt, genauso wie für private Sessions. Was mich ebenfalls stark beeindruckt und mir überaus sympathisch ist, sind die Angebote über die Räumlichkeiten und Sessions hinaus: Es geht viel um Weiterbildung, Fortbildung, Workshops, Austausch – sogar ein größerer, recht neutraler Seminarraum steht zur Verfügung. Und auch dieses Angebot gilt wiederum nicht nur für Sexworker, sondern für alle, die Interesse haben:
Die Kurse und Workshops sind einerseits als Fortbildungskontext für Menschen in der Erotikbranche gedacht, andererseits sind zu vielen Seminaren alle eingeladen, die einfach nur Interesse haben, ihre Expertise zu verfeinern und in respektvoller Atmosphäre lernen wollen.
Ich lese mich ein wenig quer, durch den Blog, die Menschen, die dort arbeiten, die angebotenen Kurse und bin begeistert. Schließlich komme ich wieder zurück zu Johanna Weber, die mir bereits durch Twitter ein Begriff war.
Johanna schreibt in ihrer Twitter-Bio, unter dem Profil @Johanna_Weber_, über sich:
Sexarbeiterin und Vorstand des BesD (Berufsverband für Sexarbeitende) — hier privat —- politisch frei und links, Faktenliebhaberin, #Feministin
Der BesD, der Berufsverband für Sexarbeitende, kam mir schon vor langer Zeit unter und in diesem Zusammenhang stieß ich auch auf Johanna. Ich mag ihren Auftritt auf Twitter, schätze ihre langjährige Erfahrung und ihre Offenheit. Ein wirkliches Bild von einem Menschen ist allein über Twitter aber natürlich immer so eine Sache. Umso gespannter bin ich darauf, Johanna zu treffen – ihr wisst schon, so als richtiger Mensch in der offline Realität :-)
Als Johanna Weber mir also die Tür öffnet, ist das Erste, was ich denke: „Puh, bin ich overdressed“ – das ist natürlich ein unnötiger Reflex, weil ich ja nicht für die halbe Stunde mit Johanna, sondern für die Mädels und die OenRunde angezogen bin. Und dennoch ist die Diskrepanz für eine Sekunde äußerst spürbar, denn Johanna hat flache Schuhe an und trägt völlig normale Kleidung. Das an sich überrascht mich wenig – ich bin mittlerweile mit vielen Sexarbeiterinnen aus unterschiedlichen Bereichen in engerem Kontakt und fast jede davon würde man an der Supermarktkasse nicht von der konservativen Hausfrau unterscheiden können – eine Sache, die ich sehr angenehm finde, wenn ich bedenke, wie ich aussehe, wenn ich mit dem Köter spazieren gehe.
Meine Eindrücke sind natürlich – wie immer hier – meine eigenen. Es ist persönlich, individuell und völlig subjektiv, wenn ich erzähle, dass ich von Johannas Art absolut begeistert war. Es gibt nur wenige Menschen, die es schaffen, innerhalb weniger Minuten eine Wohlfühl-Atmosphäre zu schaffen. Ich liebe es, wenn Menschen das können.
„Komm, wir setzen uns noch ein wenig in den Garten. Ich muss nur noch schnell den Gartensprinkler anmachen“, ruft sie und kurz darauf sitze ich auf einem bequemen Holzstuhl in einer Gartenlaube in einem heimeligen, grünen Hinterhof.
Es ist herrlich. Wir reden über meinen Twitteraccount, meine Projekte, meinen Weg im letzten Jahr und wie ich überhaupt auf die Idee der OenRunde gekommen bin. Dann unterhalten wir uns über das Studio, über sie und über unsere Hintergründe (auch Johanna ist Pädagogin), über gemeinsame Bekannte, von denen ich nichts wusste und darüber, wie klein die Welt ist (Spoiler: sehr klein).
Johanna ist eine der Frauen, die mich beeindrucken und zugleich inspirieren. Die mir Input geben und zugleich das Bedürfnis in mir wecken, zu erzählen. Die ich als faszinierend und zugleich völlig bodenständig empfinde. Es ist diese Mischung, die ich u.a. als einen Teil authentischer Dominanz wahrnehme – aber auch das ist sehr subjektiv – und noch während wir so reden und Johanna die Kissenbezüge der Stühle von Blättern befreit, frage ich mich, wie sie wohl in Sessions auftritt. Es sind Frauen wie Johanna, von denen ich gern lernen würde. Ich kenne mittlerweile eine Handvoll solcher Frauen, vielleicht auch zwei. Manchmal sitze ich irgendwo, mit einem Glas Wein in der Hand und stelle mir vor, sie alle um einen Tisch sitzen zu haben. Quasi eine OenRunde für die Großen – und ich wäre dann die junge Nachwuchs-Sexarbeiterin, die ehrfürchtig den Großen lauscht. Andererseits… so wie ich diese Frauen einschätze, wäre es eben ein Abend unter Gleichgesinnten, alle auf Augenhöhe, alle irgendwie anders und doch gleich. Und dann fällt mir auf: Gerade deshalb wäre es wohl erst recht eine Art FrauOenRunde :-)
Die FrauOenRunde 2.0
„Ach ein paar der Damen hier aus dem Studio möchten dir nachher übrigens noch Hallo sagen“, unterbricht sie meine Gedanken, „die folgen dir auf Twitter.“
Ich muss lächeln. Sie ist ausgesprochen merkwürdig, diese neue Erfahrung. Alles im Grunde, was im real life meinen Account betrifft, ist irgendwie merkwürdig. Neu eben. Aber auf eine gute Art. Meistens zumindest.
Ich begrüße kurz darauf ein paar der Damen, die dort nackt umherlaufen, vermutlich frisch aus einer Session kommend. Ich liebe die Atmosphäre, die Normalität, mit der mit Nacktheit und dem menschlichen Körper, mit Sex umgegangen wird. Ich bekomme häufig von Männern den Vorwurf, ich sei vor allem als Frau „doch sehr pragmatisch“ in Bezug auf Sex. Ich finde nicht, dass es um Pragmatismus geht, sondern vielmehr um eine gewisse Normalität im Umgang mit (vor allem der weiblichen) Sexualität, die heutzutage fehlt – finde ich zumindest. Ich glaube, wir hätten weniger Probleme in den unterschiedlichsten Bereichen, wenn Menschen mit Sex anders, normaler, freier umgehen würden. Wenn es nicht als romantisch gelten würde, „sich erst zu entdecken“, sondern wenn es normal wäre, beim zweiten Date darüber zu sprechen, dass man vaginal nur schwer kommt, aber gern geleckt wird. Aber das ist ein anderes Thema. Eigentlich sind wir bei Johanna und den Mädels im LUX, die mich teils angezogen, teils nackt begrüßen und das völlig normal finden und bei mir, die das in vollen Zügen genießt.
Nach einem Blick auf die Uhr beginnen Johanna, ein paar der Damen und ich, die Stühle in den Raum zu tragen, den ich für den Abend gemietet habe. Es ist der HOLZ-Raum, den Johanna mir aufgrund der Größe und der Ausstattung empfohlen hat und ich denke, wir hätten es nicht besser treffen können.
Der HOLZ-Raum ist gemütlich, warm und doch eindrucksvoll ausgestattet, die Atmosphäre genau mein Geschmack. Dennoch hängen überall Haken, stehen Möbel bereit (sogar eine Schulbank, die natürlich später noch für einige Lacher sorgen würde) und einige Spiegel. Spielzeuge und Schlaginstrumente aller Art stehen natürlich ebenfalls zur Verfügung. Es ist perfekt.
By the way: Würde ich einen Raum für eine private Session anmieten, der wäre genau mein Ding.
Ich hatte im Mailkontakt vorab mit Johanna abgesprochen, dass wir ein paar Basics an Getränken zur Verfügung gestellt bekommen. Dass dazu Snacks, Schokolade, Früchte und eine wunderbar liebevoll zusammengestellte Auswahl an allem gehört, bestätigt den Eindruck, den ich vom ersten Kontakt mit diesem Studio hatte:
Es sind diese Orte, an denen ich mich irgendwie… zu Hause fühle – egal, wo ich gerade bin. Unter Menschen, die einen sein lassen, wie man eben sein möchte. Die offen mit Sexualität umgehen, die authentisch und ehrlich sind und in denen jeder Kink seinen Deckel findet, aber die dennoch menschlich sind, nicht abgehoben, fast schon familiär und bodenständig und in denen man diese eine Sache so deutlich merkt, die nach außen zu zeigen mir so wichtig ist: Wir alle sind einfach nur Menschen.
Autorin: Ophelia
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Infos über die FrauOenRunde:
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